Glück!

Seit über sechs Wochen weiß ich, dass mein geliebter Liebling sehr krank ist. Seit diesem Zeitpunkt erlebe ich vielfältige Gefühle. Angst, Traurigkeit, Verzweiflung – und das, was wir alle wissen: das Leben ist endlich. Ich habe auch schon einige Jahre auf dem Buckel, und umso mehr wird mir gerade bewusst, dass auch meine Zeit begrenzt ist.

Wie geht man, wie gehe ich damit um?

Das ist ein sehr unbequemes, sehr unbeliebtes und allseitig ignoriertes Thema. Ignorieren nutzt aber nichts. Denn es ist trotzdem da. Und je hartnäckiger man es ignoriert, umso intensiver erwischt es einen. Irgendwann. Und das Beruhigende daran ist auf perfide Weise: es erwischt jeden – irgendwann.

Aufgrund von Lilis Krankheit beschäftige ich mich mit dem Thema zur Zeit sehr intensiv. Und ich werde hier nun nicht nur nette Katzenfotos veröffentlichen, sondern darüber schreiben, was mich beschäftigt.

Momentan sitzt Lili auf meinem Schreibtisch, weil sie meine Nähe liebt. Denn wenige Minuten vorher lag sie auf meinem Schoß. Und mein Schoß lag auf dem Sofa. Dann fühlte ich mich gemüßigt, diesen – möglicherweise überflüssigen – Artikel zu schreiben.

Ich saß auf dem Sofa, und Lili lag auf meinem Schoß. Eingeringelt. Ich spürte ihr Schnurren auf meinen Oberschenkeln. Ich streichelte ihren Kopf, ihren weich-kuscheligen Körper. Ich spürte Glück. Denn vor einigen Wochen dachte ich, dass ich sie wenige Tage später beerdigen müsste. Im Nachbargarten – unter dem Haselnusstrauch. Das musste ich nicht. Denn Lili lebt. Sie lebt mit Freude und Appetit. Das erfüllt mich mit Glück. Mit allergrößtem Glück. Ich kann mir nicht vorstellen, was mich glücklicher machen könnte. Zur Zeit. Denn zur Zeit geht es um Lili. Um meinen geliebten Liebling. Diese eigenwillige Katze, die sich mich vor 12 Jahren ausgesucht hat. Ja, sie wollte bei mir leben. Mit mir leben. Ich habe sie so oft auf meiner Wohnung vertrieben, weil sie ja der Nachbarin “gehörte”. Doch Lili wollte bei mir leben. Und das hat sie mir gezeigt. Jeden Tag. Jeden Morgen, wenn ich in mein Arbeitszimmer kam, lag Lili auf dem Stuhl vor meinem Computer. Ich konnte sie vertreiben, so oft ich wollte, sie hat es nicht akzeptiert. Bis ich akzeptiert habe, dass diese kleine Katze bei mir, mit mir leben wollte.

Momentan liegt sie neben dem Tesa-Roller. Denn Lili ist – fast immer – da, wo ich bin. Sie hätte auch auf dem Sofa liegen bleiben können. Aber weil ich dort nicht mehr rumlümmle, ist sie mir hinterher getippelt, und liegt halt nun neben dem Tesa-Roller.

Weshalb ich das schreibe? Weil es mir ein Bedürfnis ist, diese tiefe, warme Liebe zu meinem geliebten Liebling hier in Worte zu bringen. Ich könnte sie auch mir für mich behalten, aber ich weiß mittlerweile, dass es einige Menschen gibt, die hier mit dem Herzen mitlesen.

Jeder Tag mit Lili ist ein Geschenk für mich. Jeder Morgen, an dem sie bei meinem Erwachen zu ihrem Futterplatz tippelt, erfüllt mein Herz mit Freude. Jedes Würstchen im großen weißen Katzenklo beglückt mich, weil ich weiß, dass ihr Därmchen funktioniert. Jedes Miau, wenn ich an ihr vorbei oder auf sie zu gehe, ist eine Liebeserklärung. Eine einzigartige Liebeserklärung, die kein Mensch übertreffen könnte.

Ich bin sehr in mich gekehrt zur Zeit, und ich denke viel nach. Aber was mein Leben zur Zeit bestimmt, ist das Gefühl. Ein Gefühl, das sich schwer beschreiben lässt. Eines kann ich sagen, es ist ein gutes Gefühl. Ein ehrliches und aufrichtiges Gefühl. Eine Mischung zwischen … wie soll ich es nur ausdrücken … Tränen laufen über meine Wangen. Mein Herz ist schwer und trotzdem leicht. Ich bin unsicher und verwirrt. Ich fühle Dankbarkeit und Verzweiflung. Ich spüre, dass nichts im Leben in meiner Hand liegt – außer Liebe zu empfinden.

22 Kommentare

  1. das hast Du so schön geschrieben und es beschreibt genau das, was ich immer bei unseren beiden empfinde wenn sie mit uns kuscheln, schnurren und uns auf “Kätzisch” ihre Zuneigung zeigen. Ich hoffe so sehr für Dich und auch für Lili, das sie noch lange bei Dir bleiben darf. Weiterhin viel Glück

  2. Ein sehr schöner Text, der mich über diese einfache Wahrheit zum nachdenken bringt, dass unser Glück immer endlich ist, auch wenn wir das gerne zu ignorieren versuchen. Ich wünsche Dir und Lili noch viel Freude zusammen.

    • Liebe Grüße an dich und deine Lieben, lieber Leopold! Du hast ja auch ein Tier, das du liebst …
      Bis bald! Vielleicht begegnen wir uns wieder im Ort … oder wir verabreden uns im Kuba … wäre vermutlich besser.
      Renate

  3. Deine Worte haben mich sehr bewegt. Leider ist der Mensch ja so, dass er den Tod weit von sich
    schiebt, obwohl der Tod zum Leben gehört.
    Aber wer scheidet schon gerne von dieser Welt??? Man lässt doch sein Leben und seine geliebten Menschen und Tiere hinter sich, die einem doch sehr viel bedeutet haben.
    Ich wünsche dir von ganzem Herzen noch viele schöne Tage und Stunden mit deiner Lili.

    Liebe Grüße von
    Elke

  4. Danke für deine Gedanken, liebe Renate. Wie es für uns alle eines Tages zu Ende ist, weiß keiner und es ist auch besser so, denn wir sollten jede Minute genießen, die uns das Leben geschenkt ist. Nichts desto trotz sollten wir offen mit dem Thema umgehen, auch in der Familie darüber sprechen, was ist im Fall des Falles.
    Wichtig ist, dass du deine Zeit mit Lili genießt, aber natürlich auch mit deinen anderen Plüschpökern. Sie lieben dich, genau wie du sie liebst, sonst hätte die Lili dich als Lebensbegleiter ja nie erwählt.
    Liebe Grüße
    von allen Nussbaumhausbewohnern

    • Dass Lili mich adoptiert hat, war wirklich bemerkenswert. Und ich schäme mich heute dafür, dass ich sie so oft weg gejagt habe … Ja, ich schäme mich wirklich! Weil ich nicht erkannt habe, was sie wollte. Und dass sie mich auserkoren hat.
      Aber letztendlich hat sie ja gewonnen. Und ich erst recht! Mein geliebter Liebling ist ein ganz außergewöhnliches Persönchen, und ich bin glücklich, sie um mich zu haben. Sie sitzt momentan wieder auf meinem Schreibtisch, und gleich werden wir eine Runde kuscheln – auf dem Sofa.

  5. Liebe Renate. Sehr schön geschrieben. So oder so ähnlich sind auch meine Gedanken. In letzter Zeit ist auch Sally serh anhänglich, verschmust, fordert es auch ein und weicht selten von meiner Seite. Arbeite ich am PC, liegt sie auf dem Teppich neben dem Schreibtisch. Setze ich mich einmal auf den Balkon, nun, sie ist flugs dabei. Daher auch die Fotos von Model Sally. Bin ich bei einem Auftritt, ist bei der Heimkehr ihr Platz auf der Fensterbank. Hier kann sie den Parkplatz übersehen. Öffne ich dann die Haustür, steht sie schön maunzend da und begrüsst mich. Platz machen, das ich herein kann? Fehlanzeige,….erst streicheln und auch einmal hochnehmen. Dann gehts ab ins Wohnzimmer. Ja, sie hat eben ihr Begrüssungsprogramm. Doch so langsam merkt man ihr Alter. Döst viel oder schaut mir, immer einmal einschlafend, bei der Arbeit zu. Ãœbe ich Bass, ist sie dabei. Liebt sie vielleicht tiefe Töne? Mit den Auftritten habe ich seit geraumer Zeit etwas heruntergefahren. Muss nicht immer alles mitmachen. Morgen, Samstag, kommt ersteinmal meine Freundin für fünf Wochen. Semesterferien. Mal schauen, wie sich Sally verhält. Es ist ja ihre Wohnung und ihr Revier. Denke aber das es gut geht. Sally ist ja dann nie wirklich alleine und hat immer jemanden um sich. Das braucht sie auch. Sie ist zwar keine Schmusekatze, Hauptsache es ist jemand anwesend. Ich werde aber berichten. Versprochen. Liebe Renate, ich wünsche Dir noch viele schöne Tage mit Lili, sie ist ja, wenn auch weit entfernt, meine Freundin. Ganz lieben Gruss vom Charley mit Sally.

  6. Ein sehr rührender Text, liebe Renate. Wir wünschen Dir von ganzem Herzen, dass Du noch viel Zeit mit Lili haben wirst und noch so manch’ schöne Stunde mit ihr verbringen darfst.

    Schnurrige Grüße
    Mikesch

  7. Glück und Leid sind sich manchmal so nahe, ich denke an Dich und Lili und wünsche Euch noch viele gemeinsame, heitere Momente.
    Liebe Grüsse
    Elfe

  8. Liebe Renate,
    über Deine Worte muss ich noch ein wenig nachdenken, deshalb kann ich gar nicht viel sagen außer – ich bin froh, dass die Lage so ruhig ist und so ist wie sie ist. Von unseren Tieren lernen wir manchmal mehr über uns selbst und über das Leben an sich als wir denken.

    Liebe Grüße,
    Doris

    • Ja, liebe Doris, von meinen Katzen habe ich sehr viel gelernt – in all den Jahren. Ãœber mich, über das Leben im allgemeinen und über das Leben im speziellen.

      Liebe Grüße zurück – Renate

  9. Liebe Renate,
    ich bin seit Mai ein “stiller” begeisterter Leser Ihres wirklich lesenswertem Katzenblog
    umso erschrockener war ich von Lilis Krankheit zu hören….
    Auch ich wünsche alles Liebe und Gute sowie viele schöne Stunden mit Lili ♥ ♥ ♥ ♥ ♥

    Mit lieben Grüßen
    Anne

    • Liebe Anne, vielen Dank dafür, dass du aus der Stille herausgetreten bist.
      Und danke für die guten Wünsche, die ich sehr gut gebrauchen kann.
      Es tut gut, Anteilnahme zu spüren.

      Liebe Grüße
      Renate

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